„Homosexualität bedroht Gottes Ordnung“
Die untersuchten Debatten im Netz sind nach der 2017 eingeführten „Ehe für alle“ geprägt von Erzählungen, die sich gegen gleichgeschlechtlich liebende und lebende Menschen richten. Diesen Narrativen liegt die diskriminierende Behauptung zu Grunde, die göttliche Ordnung sei durch sexuelle Minderheiten und „linke Ideologie“ bedroht. Die eigene sexuelle Identität wird als absolute Norm verstanden und als überlegen gewertet, Lebens- und Liebesformen dagegen, die von der Norm abweichen, werden als Angriff auf die eigene Sexualität und die Familie gesehen.
„Homosexualität ist Sünde“
Das toxische Narrativ
Die Verachtung von Homosexuellen im Namen des Glaubens wird mit den wenigen, sich vermeintlich auf Homosexualität beziehenden Stellen der Bibel begründet. Diesem Abwertungsmechanismus liegt die Überzeugung zu Grunde, Sexualität sei ausschließlich Werkzeug zur Fortpflanzung und nicht eine Gabe Gottes, um einander zu begegnen und zu erkennen. Das Ausleben von Sexualität ohne den Zweck der Fortpflanzung wird als Sünde, Unzucht oder Gräuel beschrieben. Oft verstärken Verknüpfungen mit Pädophilie und Sodomie die abwertende Ausrichtung dieses Narrativs.
Fragen zum Hinterfragen
Wird die Abwertung von Sexualität, die sich nicht auf Fortpflanzung beschränkt, im gleichen Maß Heterosexuellen entgegengebracht? Ist das christliche Menschenbild auf reines Funktionieren und Reproduzieren ausgelegt? Spricht die Bibel nicht von gutem und gerechtem Leben, unabhängig von Stärken und Schwächen der Menschen? Gab es in der Zeit der biblischen Schriften überhaupt freie gleichgeschlechtliche Sexualität? Oder beziehen sich die biblischen Stellen auf etwas anderes? Finden sich andere Verbote, wie das Zinsverbot, nicht viel häufiger in der Bibel, wird die Kritik daran mit der gleichen Lautstärke vorgetragen?
Weiterführende Links:
Interview mit Sexualethiker Dabrock auf evangelisch.de
„Die Institution der Ehe ist in Gefahr“
Der toxische Narrativ
Diese Erzählung ist von einem Überlegenheitsgefühl geprägt und konstruiert die Vorstellung, die Einführung der Ehe für Homosexuelle verwässere und gefährde die Bedeutung der Ehe von heterosexuellen Menschen, denen dieses Privileg ausschließlich zustehe. Die bürgerliche Kleinfamilie Papa-Mama-Kinder wird zur absoluten Norm erklärt, obwohl Familienkonstellationen sowohl in Geschichte und Gegenwart als auch in der biblischen Überlieferung viel komplexer sind. Die „Ehe für alle“ wird durch Vergleiche mit Kinderehe diskreditiert oder durch Vergleiche mit Ehen mit Tieren diffamiert.
Fragen zum Hinterfragen
Wie viele heterosexuelle Ehen wurden wegen der „Ehe für alle“ geschieden? Stärkt die „Ehe für alle“ vielleicht eine Institution, für die sich immer weniger Menschen begeistern? Hatte nicht schon Jesus mit Joseph und Gott eine Form von zwei Vätern? Niemand fordert ernsthaft, Tiere, Kinder oder Gegenstände zu heiraten!! Sind es nicht die christlichen Inhalte Verlässlichkeit, Vertrauen und Verantwortung, die eine Beziehung bestimmen sollten? Warum achten wir nur auf die Hülle und vertrauen nicht darauf, dass Gott unser Herz sieht?
Weiterführende Links:
Familie als verlässliche Gemeinschaft – EKD Orientierungshilfe von 2013
Und nun?!!
Die Narrative weisen auf Themen hin, die nicht nur in der digitalen Öffentlichkeit insbesondere von rechten Akteuren befeuert werden und deren Diskussion durch Hass und Menschenfeindlichkeit geprägt sind. Oft sind wir mit diesen Narrativen konfrontiert und bleiben sprachlos. Neben der Beschreibung der analysierten toxischen Narrativen haben wir auch Fragen aus unserer Perspektive aufgeschrieben, die in der Auseinandersetzung um ein menschenfreundliches christliches Weltbild in Kirchen, Gemeinden oder in der Religionspädagogik helfen können.
Aufbauend auf der Analyse von Narrativen christlich codierter Hassrede wollen wir darüber hinaus mit Euch und Ihnen herausfinden, welche menschenfreundlichen Bilder und Erzählungen wir aus christlicher Perspektive entgegnen können. Wie können wir Botschaften der Hoffnung stärken und diese digital vermitteln? Um den Bogen from #hateSpeech to #hopeSpeech“ zu spannen, haben wir Seminare angeboten und ein Workshopformat entwickelt, das wir in Fortbildungen für Multiplikator*innen vermittelt haben.