Toxische Narrative
Wir haben uns mit einer Social-Media-Analyse auf die Suche nach hateSpeech im Namen des christlichen Glaubens im Netz begeben und sogenannte toxische Narrative aufgespürt. Konzentriert haben wir uns dabei auf menschenfeindliche und demokratiefeindliche Positionen und Kommentare, die in den Jahren 2017 und 2018 mit christlichen Bezügen formuliert oder durch den christlichen Glauben legitimiert wurden. Die Argumentationsmuster dieser Positionen und Kommentare bilden die Grundlage für hateSpeech und fügen sich zu Ängste schürenden Erzählungen und Bildern zusammen, die die Kommunikation im öffentlichen Raum, in den sozialen Medien oder in Kirchengemeinden vergiften. Unter den FAQ haben wir unser Vorgehen bei der Analyse genauer beschrieben.
Masternarrativ: „Wir werden bedroht – Die Endzeit naht“
Das Masternarrativ „Wir werden bedroht – Die Endzeit naht“ ist ein zentrales Bild, das in der Social Media-Analyse alle toxischen, menschenfeindlichen Erzählungen verbindet. Dieses Narrativ ist die Grundlage für Feindseligkeiten, Ausgrenzungen, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hassrede. Darin wird das Szenario gezeichnet, die Welt sei bedroht – und zwar durch verschiedene Feindbilder.
Gemeinsam ist allen Narrativen, dass sie auf der Konstruktion von vermeintlich homogenen Gruppen beruhen. Es wird einerseits ein „Wir“ als deutsche, weiße, europäische, christliche Gemeinschaft konstruiert, die von „den Anderen“ als äußere Gegner*innen bedroht ist. Entscheidend bei dieser Konstruktion ist der Ausschluss bestimmter Menschengruppen als Feinde, wie Geflüchtete, Homosexuelle oder Feminist*innen und das Schüren von Ängsten durch konstruierte Bedrohungen. Die eigene Gruppe wird einerseits als Opfer und gleichzeitig als überlegen postuliert. Die dadurch strategisch bewusste Zeichnung eines Kampfes führt zu Hetze und Abwertungen spezifische Bevölkerungsgruppen.
Das Masternarrativ taucht in verschiedenen Eskalationsstufen auf – von schwachen Konstruktionen einer Gefahr bis hin zu der Feststellung, dass die Endzeit längst angebrochen sei.
„Wir leben in der Endzeit! Genau wie die Bibel es vorher gesagt hat! Und was passiert ist erst der Anfang! Der Wahnsinn wird noch größer!“
Die Hauptnarrative
Die Analysen der Hassmails sowie der zahlreichen Facebook-Kommentare aus den Jahren 2017 und 2018 haben fünf weit verbreitete Hauptnarrative und jeweils weitere Einzelnarrative zu den Themen Islam, Homosexualität, Flucht, Gender und Demokratie:
„Homosexualität bedroht Gottes Ordnung“
„Flüchtlinge sind eine Gefahr für Volk und Glauben“
„Der Genderwahnsinn ist reine Ideologie“
„Wir leben in einer Meinungsdiktatur“
Jedes dieser extrem rechten Narrative beschwört Bilder eines „Kulturkampfes“ herauf. Dieser Kampf ist je nach Themenbereich gegen verschiedene Feindbilder gerichtet und wird als unumgänglich beschrieben, um die eigene Gruppe oder Identität zu beschützen. Es werden vermeintliche Gegner*innen konstruiert, die entweder eine Bedrohung von außen – wie der Islam, die Migrant*innen oder Geflüchtete – oder von innen darstellen – wie Politiker*innen, Kirchenvertreter*innen, der Zeitgeist.
Das so verbreitete Bild einer Bedrohung erzeugt ein Gefühl der Angst und hetzt Menschen gegeneinander auf. Diese Erzählungen kommen nicht ohne Opferrhetorik, Vorurteile und Abwertungsmuster aus, die das Tor für hateSpeech öffnen und die Kommunikation vergiften.
Und nun?!!
Die Narrative weisen auf Themen hin, die nicht nur in der digitalen Öffentlichkeit insbesondere von rechten Akteuren befeuert werden und deren Diskussion durch Hass und Menschenfeindlichkeit geprägt sind. Oft sind wir mit diesen Narrativen konfrontiert und bleiben sprachlos. Neben der Beschreibung der analysierten toxischen Narrativen haben wir auch Fragen aus unserer Perspektive aufgeschrieben, die in der Auseinandersetzung um ein menschenfreundliches christliches Weltbild in Kirchen, Gemeinden oder in der Religionspädagogik helfen können.
Aufbauend auf der Analyse von Narrativen christlich codierter Hassrede wollen wir darüber hinaus mit Euch und Ihnen herausfinden, welche menschenfreundlichen Bilder und Erzählungen wir aus christlicher Perspektive entgegnen können. Wie können wir Botschaften der Hoffnung stärken und diese digital vermitteln? Um den Bogen from #hateSpeech to #hopeSpeech“ zu spannen, haben wir Seminare angeboten und ein Workshopformat entwickelt, das wir in Fortbildungen für Multiplikator*innen vermittelt haben.